Geschichte

der kath. Kirchengemeinde Heilig Geist in Sarstedt

Im Mittelalter

Das Gebiet von Sarstedt umfasste im Mittelalter die Siedlungen Ohlendorf - “Ursarstedt”, Helperde und Wennerode. Die Besiedlung des Sarstedter Raumes durch den Volksstamm der Cherusker wird bereits für die Zeit um Christi Geburt angenommen. Als “Scar-dethe” wird die spätere Stadt 1196 urkundlich nachgewiesen. Ihr eigentliches Alter legen Sprachwissenschaftler auf die Zeit 300-600 n. Chr. fest.

In unmittelbarer Nähe zur Siedlung Ohlendorf wurde auf dem Dehnberg im Innerstetal die St. Nikolauskirche erbaut. Der Zeitpunkt des Baues von St. Nikolaus ist urkundlich nicht ermittelt. Als Zufluchtsort der Siedler bei Hochwasser der Innerste und als bischöfliche Schutzburg gegen die Einfälle der rivalisierenden Calenberger Herzöge diente das Gotteshaus vorrangig religiösen Zwecken. Die erste schriftliche Nachrichtüber die Sarstedter Kirche wird in der “Fundatio ecclesiae Hildensemensis” überliefert. In dem Ende des 11. Jahrhunderts verfaßten Bericht heißt es, daß Bischof Dithmar (1038-1044) der Sarstedter Kirche einen Zehnten übereignet habe, welcher ursprünglich der Archidiakonatskirche in Elze zustand.

Ihr Patrozinium St. Nikolaus, das auch die Hauptkirche in Elze trug, und der Aufbau der Archidiakonate unter den Bischöfen Bernward (993-1022) und Godehard (1022-1038) geben Hinweise auf ihre frühmittelalterliche Entstehungszeit. 1250 und 1306 werden dort Seelsorger namentlich aufgeführt. Daß die St. Nikolauskirche Archidiakonatskirche war, wird durch ihre Umschreibung in Urkunden aus den Jahren 1327 und 1328 belegt. Der Patron der Taufkirche St. Nikolaus war der Sarstedter Archidiakon. Der Archidiakon vertrat hier die bischöfliche Autorität, die ihre Grenzen gegen benachbarte fehdefreudige Herzöge abzusichern wußte. Bereits Bischof Konrad II. (1221-1246) hatte zum Schutz gegen die Einfälle der Herzöge von Calenberg und zur Sicherung des Leineüberganges - Hellweg bei Ruthe und der Innerstefurt bei Sarstedt - die Retburg erbauen lassen.

Die bischöfliche Retburg löste die St. Nikolauskirche als Schutzfeste an der Landesgrenze ab. Später folgten Verpfändungen und Streitigkeiten um diese Grenzburg, woraus letztlich zahlreiche Fehden resultierten; so 1279 als Söldner Herzog Albrechts von Braunschweig Burg und Siedlung niederbrannten. Das Domkapitel und der neuerwählte Bischof Siegfried II. (1279-1310) entschlossen sich deshalb zum Wiederaufbau von Burg und Siedlung. Die Dörfer Helperde und Wennerode wurden in den Flurraum der Siedlung Ohlendorf zwischen Burg und Archidiakonatskirche St. Nikolaus verlegt und mit Mauer, Wall und Graben befestigt.

Nach Überlieferungen erhielt Sarstedt im Jahre 1296 die Stadtrechte. Urkundlich ist die Verleihung erst durch Bischof Heinrich III. (1331-1363) 1339 nachgewiesen. Die Ackerbürger- und Handwerkerstadt wurde sechsmal durch Großbrände völlig zerstört. Der Bann des Archidiakonates Sarstedt war groß; er reichte von Bothfeld im Norden bis Heyersum im Süden. Es gehörten dazu die späteren Kirchspiele Gleidingen, Rethen, Oesselse, Grasdorf, Döhren mit Laatzen, Bothfeld, Heisede, Rössing, Nordstemmen, Burgstemmen, Heyersum und Kirchrode.

Nach der Zerstörung Sarstedts in der Hildesheimer Stiftsfehde (1515-1523) 1521 wurde die Stadt auf Weisung Kaiser Karls V. (1500-1558) unter die Oberaufsicht der Calenberger Herzöge gestellt. Der Kaiser selbst hatte damit später die Voraussetzungen zur Einführung der Reformation in Sarstedt geschaffen. Nach dem Tode des kath. Herzogs Erich I. von Calenberg übernahm dessen Ehefrau Elisabeth von Brandenburg für ihren unmündigen Sohn die Regentschaft. Mit Hilfe des Theologen Antonius Corvinus führte die Lutheranerin ab 1542 in ihrem Herzogtum die Reformation ein. Als Landesfürstin ließ Elisabeth am 10. April 1543 in Sarstedt eine ev. Kirchenvisitation durchführen. Aus einem späteren Bericht über den damaligen Pfarrer aus Sarstedt Cornelius geht hervor, daß dieser mit Hilfe von Hildesheimer Bürgern bereits 1543 in der Klosterkirche von St. Godehard luth. gepredigt hatte. Demnach war die St. Nikolaus-Pfarrei schon 1543 ev. geworden. Die offizielle Einführung der “Lehre Luthers” durch die Visitation war somit nur noch in verwaltungsorganisatorischer Hinsicht wichtig.

Nach dem Tod seiner Mutter übernahm Herzog Erich II. von Calenberg die Regierung. Der kath. Fürst, der sich für die Rekatholisierung seines Herzogtumes bedingt einsetzte, konnte unter dem Einfluß der selbstbewußten ev. Städte wie Hildesheim oder Hannover kaum Erfolge erzielen. Als Zeichen für die Behauptung der politischen Autonomie gegenüber dem kath. Landesherren, dem Fürstbischof, stand auch in Sarstedt die Haltung des Rates, der kompromißlos am luth. Glaubensbekenntnis festhielt.

Im Jahre 1584 fiel das Land Calenberg nach dem Tode Erich II. an das Herzogtum Wolfenbüttel. Dort hatte Herzog Julius II. bereits im Jahre 1568 die Reformation eingeführt und eine neue Kirchenordnung erlassen. Die Generalkirchenvisitation des Sarstedter Raumes von 1588 bestätigte erneut die ev. Religionszugehörigkeit der Stadt. Unter Protest der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg wurde gemäß dem Restitutionsedikt von 1629 nach über 100 Jahren Sarstedt wieder der fürstbischöflichen Aufsicht unterstellt. Nur vorübergehend konnten dort Versuche einer Rekatholisierung unternommen werden, da sich ab 1632 der militärische Sieg der schwedischen Truppen auch auf die Religionszugehörigkeit der Städte und Gemeinden auswirkte. Erst nach langen Verhandlungen mit dem Reichskammergericht erfolgte 1643 die endgültige Restitution des “Großen Stiftes” an den Hildesheimer Fürstbischof. Erst nach langen Verhandlungen mit dem Reichskammergericht erfolgte 1643 die endgültige Restitution des “Großen Stiftes” an den Hildesheimer Fürstbischof. 

Die ev. Religionsausübung stand laut Restitutionsedikt den Fürsten noch 70 und den Untertanen noch 40 Jahren zu. Dieser Passus war jedoch im Westfälischen Frieden von 1648 durch die Festsetzung des Normaljahres geändert worden, daß für 1624 den evangelischen Glauben garantierte. Die Pfarrei St. Nikolaus in Sarstedt blieb damit evangelisch und ihre Pastöre wurden nach der Zustimmung des Bischofs vom Rat der Stadt bestimmt.

Nach der Rekatholisierung des Amtes Ruthe und der Einrichtung der dortigen kath. Amtspfarrei wurden die wenigen kath. Christen in Sarstedt bis 1891 von ihr betreut. Die Anzahl der kath. Christen war in Sarstedt bis in das 19. Jahrhundert hinein gering. Eine sprunghafte Veränderung trat erst durch die Industrialisierung ein. Die Schaffung einer Infrastruktur durch den Anschluß Sarstedts an die Eisenbahnlinie Hannover-Göttingen 1853 zog die Gründung mehrerer Industriebetriebe (Ofen- und Herdfabrik 1844, Mühlenfabrik 1854, Zuckerfabrik, 6 Ziegeleien, Kaliwerk “Glück auf” 1905) nach sich. Der Anteil der Handwerker und der in der Landwirtschaft beschäftigten Arbeiter sank zugunsten der Industriearbeiter. Von 1865-1925 verdreifachte sich die Einwohnerzahl von 1694 auf 5106 Einwohner.

Nach dem ersten Weltkrieg

Die hinzuziehenden Industriearbeiter, z. B. aus den Stiftsdörfern und dem Eichsfeld, waren zu 90% Katholiken. Nachdem 1891 das bischöfliche Schloß Ruthe und das Gotteshaus abgebrannt waren, wurde im selben Jahr erstmalig wieder in Sarstedt in einer Gaststätte die Heilige Messe gefeiert. Dort wurde bald regelmäßig an Sonn- und Feiertagen Gottesdienst gehalten. Der Bau der kath. Volksschule und die Einrichtung eines kath. Friedhofes wurden in Anbetracht der weiterhin steigenden Katholikenzahlen Ende des 19. Jahrhunderts notwendig.

Der damalige Pfarrer Isensee aus Ruthe erkannte die wachsende wirtschaftliche Bedeutung der Stadt und setzte sich dementsprechend für die Förderung des kath. Gemeindelebens dort ein. Mit Urkunde vom 1. Dezember 1907 erhob Bischof Adolf Bertram (1906-1914) Sarstedt zur Kuratiegemeinde. Ein eigenes Gotteshaus konnte durch den Einsatz der Sarstedter Katholiken (z. B. Kirchenbauverein) in den Jahren 1912-1913 erbaut werden. Die kath. Kirche wurde durch Bischof Bertram dem Hl. Geist geweiht. Zwei Fenster des Gotteshauses, die von der Stadt gestiftet wurden, zeigen den Hl. Nikolaus, den Patron der Stadt Sarstedt, und den Hl. Bernward, zwei Glasmalereien, die den geschichtlichen Hintergrund der Pfarrei dokumentieren.

Der kath. Arbeiterverein und die Kolpingfamilie konnten besonders seit der Einsetzung eines ständigen Seelsorgers für Sarstedt ab 1914 das Gemeindeleben gestalten. Der Orden der Vinzentinerinnen gelangte 1925-1926 nach Sarstedt, wo er eine Sozialstation aufbaute. Nur kurzfristig mußte durch das Hochwasser der Innerste 1926 der Gottesdienst in Hl. Geist ausfallen.

Eine neue Unterdrückung des kath. Gemeindelebens begann mit der Herrschaft der Nationalsozialisten 1933 in Deutschland. Der anfänglichen Störung von Prozessionen und dem späteren Verbot und der Auflösung der kath. Vereine und Verbände folgte bis 1945 sogar die Inhaftierung des Seelsorgers Robert Hartmann in ein Konzentrationslager. (Anmerkung: Die Inhaftierung von Pfarrer Robert Hartmann geschah nicht in Sarstedt sondern im Eichsfeld, wohin er zuvor von Sarstedt aus versetzt worden war. (Pastor Hans-Günter Sorge)). Während die Glocken des Gotteshauses abgeliefert werden mußten, wurden in Hl. Geist für Fremdarbeiter und Kriegsgefangene (z. B. Polen und Italiener) besondere Gottesdienste gehalten, an denen kein Deutscher teilnehmen durfte. Umgekehrt war es auch den Ausländern bei strenger Strafe verboten, deutsche Gottesdienste zu besuchen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Ein enormer Bevölkerungsanstieg in Sarstedt wurde nach 1945 durch den Zuzug von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen eingeleitet; die Bevölkerungszahlen verdoppelten sich von rd. 5700 auf 9800 Einwohner. Die günstige Ortslage an der Bundesstraße 6, der Autobahnanschluß Laatzen und der Haltepunkt der Bundesbahn im Güter- und Personenverkehr führten langfristig gesehen zur Gründung zahlreicher Industriebetriebe vor Ort.

Die Sozialstruktur der Stadt Sarstedt weist bis in die Gegenwart vor allem auf Arbeiter und Angestellte hin. Über die Arbeitsplatzangebote in Sarstedt hinaus konnte sich durch die Ortslage ein reger Pendlerverkehr nach Hannover und Hildesheim entwickeln. Neben den Sarstedter Gewerbebetrieben entstanden nach 1945 neue Siedlungskomplexe.

Die positive Wirtschaftsentwicklung wirkte sich auch auf das kath. Gemeindeleben aus. Die rege Bautätigkeit (St. Andreas-Friedhofskapelle 1958, Kindergarten St. Hedwig 1963, Pfarrhaus und Pfarrheim 1967 und Altenzentrum Heilig Geist 1982) ist dafür kennzeichnend. Die steigenden Katholikenzahlen der Kuratie waren mit Voraussetzung zur Erhebung der Kirchengemeinde zur Pfarrei am 1. April 1961 durch Bischof Heinrich Maria Janssen (1957-1982). Das Archidiakonat Sarstedt war durch die Einführung der Reformation aufgehoben worden. In der Amtspfarrei Ruthe war Sarstedt dem Zirkel und später ab 1838 dem Dekanat Förste angehörig. Die Bildung des Dekanates Förste-Sarstedt 1978 wurde nach der Kreis- und Gebietsreform von 1974 erforderlich. Zur Stadt Sarstedt wurden 6 ehemalig selbständige Ortschaften eingemeindet. Die Pfarrei Hl. Geist betreut gegenwärtig die Katholiken in der Stadt Sarstedt sowie in den Ortsteilen Giften und Gödringen.